Das Wallis und seine Weinetiketten

100’000 Weinetiketten aus dem Wallis: Diese beeindruckende Gesamtzahl hat der Sammler Nikolaus Bodenmüller (1945), aus Visp im Laufe der Jahrzehnte zusammengetragen. Seine Sammlung ist nun Teil jener der MW-Sitten. Hier finden Sie eine kleine thematische Auswahl, die Ihnen einen Eindruck von dieser einzigartigen Leidenschaft für Wein vermittelt.

Die Anfänge des Etiketts

Angesichts einer mehr als zweitausendjährigen Weinkultur könnte man meinen, dass Weinetiketten eine lange Tradition haben. Doch ihr Aufkommen in gedruckter und sehr schlichter Form Ende des 18. Jahrhunderts war vergleichsweise spät. Im Wallis findet man sie vor den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nur sehr selten.

1896

Erst um die Jahrhundertwende erschienen auf Weinetiketten nach und nach die heute selbstverständlichen Angaben wie der Name der Rebsorte und des Winzers sowie das Produktionsjahr.

1930

Dieses Etikett ist eines der ersten bekannten Etiketten des berühmten « Höllenwein », auch « Landroter » genannt.

1881

An der Schweizer Landwirtschaftsausstellung in Luzern im Jahr 1881 erhielten die Walliser Weinproduzenten ein einheitliches Etikett. Sie trugen darauf alle notwendigen Informationen für die Jury ein.

1880-1890

Ende des 19. Jahrhunderts wurde zur Bezeichnung eines Weins häufig der Name des Weingartens verwendet, da man lieber die Herkunft als die Rebsorte oder den Winzer angab.

Die Rebsorten im Wallis

Der Sammler Nikolaus Bodenmüller hat es sich zum Ziel gesetzt, möglichst alle im Wallis angebauten Rebsorten in Form von Etiketten zusammenzutragen. Dies bietet die Gelegenheit, einen Überblick über diese Vielfalt zu geben.

Die Rebsorte Altesse stammt aus Savoyen. Für das reliefartige Traubenmotiv kam eine Technik zum Einsatz, die beim Design neuerer Etiketten verwendet wird.

Die berühmte Domaine des Claives gehörte einst dem Staatsrat Maurice Troillet und wurde eine Zeit lang von Maurice Chappaz und Corinna Bille bewirtschaftet, bevor Marie-Thérèse Chappaz sie berühmt machte. Dieser steile Hang ist nur schwer zu zähmen – ganz wie der ehemalige Staatsrat selbst. Im Medaillon sieht man die von Maurice Troillet als Wohnsitz genutzte Abtei in Le Châble.

Bereits 1313 im Register von Anniviers erwähnt, erzählt dieser Cornalin ein Stück Geschichte – ebenso wie der Roman 1352 Un médecin contre la tyrannie (Ein Arzt gegen die Tyrannei) von Philippe Favre.

Das berühmte Schriftstellerpaar Maurice Chappaz und Corinna Bille ist auf diesem von Henry Bischoff (1882–1951) entworfenen Etikett zu sehen.

Der Hauch der Geschichte

Wie auch anderswo wurde im Wallis die jahrhundertealte und fest in der Geschichte verankerte Tradition des Weinbaus oft auf dem Etikett hervorgehoben. Es gehört zum guten Ton, dabei Bezüge zum antiken Rom herzustellen. Ebenso häufig werden das Mittelalter sowie Figuren und Persönlichkeiten der Walliser Geschichte herangezogen.

Der römische Ursprung des Weinbaus und des Weins im Wallis wurde – bis zu den jüngsten archäologischen Funden – oft hervorgehoben.

Dieser Fendant de la colère (Fendant des Zorns) verweist auf das historische Ereignis der von der Regierung zerstörten Weinberge im Jahr 1961 – und trägt den Namen der Fastnachtszeitung von Pascal Thurre, die ebenfalls für Unruhe sorgte.

Géo Chavez war der erste Pilot, der die südlichen Alpen überflog, stürzte aber 1910 bei der Landung ab. Auch die erste und tragische Besteigung des Matterhorns im Jahr 1865 wurde gewürdigt. Das Blut moderner Helden inspirierte die Winzer.

Der Kardinal Schiner gehörte zu den grossen Persönlichkeiten des Kantons und wurde auch oft auf Etiketten abgebildet.

Die Walliser Archetypen

Im Laufe des 20. Jahrhunderts schufen Auftraggeber aus der Walliser Weinbranche und Grafiker in kurzer Zeit eine visuelle Identität, die Assoziationen mit dem Wallis und seinem Wein hervorruft. Diese kraftvollen Bilder verkörpern eine Form der Tradition in einer visuellen Welt, die auf schnelle Identifizierung abzielte. In den letzten Jahrzehnten haben sie jedoch an Bedeutung verloren.

Während sich die Weinproduktion modernisiert, werden Tradition und Handwerk bewahrt. So bleiben die Rebschere und die Zinnkanne symbolische Elemente, die die Jahrzehnte überdauern.

Die Arbeit im Weinberg wird oft auf Walliser Etiketten inszeniert. Vom Ernten der Trauben über das Keltern bis hin zur Arbeit im Weinkeller – Paare oder Männer und Frauen werden dabei auf eine klare oder symbolische Weise bei der Arbeit gezeigt. Und der Hut ist dabei unerlässlich, um sich vor der intensiven Sonne zu schützen.

Das Blut des Wallis, das seinen Ursprung in den Suonen hat, die die Weinberge bewässern, fliesst anschliessend in die Pressen, die Fässer, die Kannen und die Flaschen – und all diese visuellen Elemente werden genutzt.

Rebhäuschen, Maultiere, Kannen und Bottiche, all diese visuellen Elemente wurden lange Zeit als unverzichtbar angesehen, um die Walliser Weinwelt zu illustrieren.

Etiketten aus der ganzen Schweiz

Ein Etikett mit Walliser Motiven bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Weinkellerei auch im Wallis liegt. Auch wenn die Trauben tatsächlich aus dem Kanton stammen, ist es nicht nur den lokalen Weinbauern vorbehalten, Walliser Motive zu verwenden. Diese Etiketten sollen daran erinnern, dass den Walliser Weinkellereien ein bedeutender Teil des Marktes entging.

Das Bild des Wallis als geschichtsträchtige Region wird auf zahlreichen Weinetiketten vermittelt, die in der ganzen Schweiz vermarktet werden. Am häufigsten werden Valeria und Tourbillon (aus allen Blickwinkeln) abgebildet, aber auch andere Orte und Schlösser werden gerne dargestellt.

Die Erwähnung bestimmter Rebsorten oder Orte reicht manchmal schon aus, um einen Wein als echten Walliser erkennbar zu machen. « Johannisberg », « Fendant » oder « Molignon » sind sowohl für Produzenten als auch für Konsumenten untrennbar mit dem Walliser Terroir verbunden.

Die Savièserin in Tracht steht auch im Dienst der Vermarktung von Walliser Wein im Kanton Waadt !

Sport und Wein passen gut zusammen, wie dieser Walliser Wein eines Berner Händlers beweist, dessen Etiketten rund zwanzig in der Schweiz ausgeübte sportliche Aktivitäten, darunter auch die Jagd, darstellen.

Die grossen Walliser Weinkellereien

Im Laufe der mehr als 150-jährigen Geschichte der kantonalen Weinwirtschaft haben sich die Walliser Weinkellereien über Jahrzehnte hinweg behauptet. Sie haben sich langfristig durchgesetzt und grosse Marktsegmente dominiert. Trotz grafischer Weiterentwicklungen ist der Wiedererkennungswert der Etiketten nach wie vor hoch.

1885 erwarb Edmond Gilliard, wie die Gründer der Domaine Mont d’Or aus dem Waadtland stammend, den Clos du Mont und den Clos du Brûle-Fer. Er gründete das Maison Gilliard, eine der ältesten Kellereien im Wallis. Im Laufe der Jahre entstanden Weine wie der Dôle des Monts, der Fendant des Murettes und der Johannisberg La Porte de Novembre.

Die im Jahr 1848 gegründete Domaine Mont d‘Or gilt als das älteste Weingut im Wallis. Der Betrieb hat zur Einführung von Rebsorten beigetragen, die heute weit verbreitet sind. Mit etwa 220 Terrassen sind die Domaine und ihre gelben Rebhäuschen fester Bestandteil der Walliser Landschaft. Die Etiketten der Domaine Mont d’Or sind leicht zu erkennen an den vielen abgebildeten Medaillen, die bei Wettbewerben gewonnen wurden, insbesondere bei der Weltausstellung in Paris 1878.

Die Geschichte der Provins beginnt 1930 unter dem Namen Fédération des caves coopératives valaisannes und dem Einfluss des Staatsrats Maurice Troillet. Zu den ersten beiden Weinkellern in Sitten und Riddes-Leytron kommen schon bald jene in Siders und Ardon hinzu, gefolgt von weiteren Weinkellern im Kanton. 1932 wird der Name Pro Vin angenommen, der 1934 dank André Guex zu Provins wird. Die Etiketten zeugen von dieser Entwicklung.

Die Sammlung von Nikolaus Bodenmüller umfasst 7000 Etiketten nur von der Kellerei Provins ! Ihr Stil hat sich im Laufe der Jahrzehnte erheblich verändert, mit grafischen Experimenten, die, obwohl ansprechend, unterschiedlich aufgenommen wurden. Dies hinderte die Kellerei nicht daran, renommierte Schweizer Grafiker für ihre Plakate und Etiketten zu engagieren.

Etiketten und Künstler

Die Zusammenarbeit von Künstlern und Weinkellereien bei der Gestaltung von Etiketten ist eine schöne Tradition. Seit den 1930er Jahren finden sich die Namen zahlreicher mit dem Wallis verbundener Künstler auf den Flaschen verschiedener Kellereien. In manchen Fällen beschränkt sich die Zusammenarbeit allerdings auf eine einzige Kellerei.

Charles-Clos Olsommer

Künstler werden oft beauftragt, Etiketten zu gestalten, und sie lassen sich gerne auf dieses bescheidene Medium ein, wie Charles-Clos Olsommer beweist. Die von ihm dargestellte Winzerin wurde zum Wahrzeichen für diese Weinkellerei.

Jean Tinguely

Robert Héritier

Charles Menge

Die grossen Serien

Serien in Bezug auf Jahrgänge und Etiketten waren bei Sammlern oft sehr beliebt, da sie einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ein Beispiel hierfür sind die Ausstellungen der Fondation Gianadda oder das Comic-Festival in Siders.

Für jede Ausgabe des Comic-Festivals in Siders wurden Etiketten entworfen – insbesondere von den Preisträgern des Festivals –, um die Weine der wichtigsten Weinkellereien der Region zu veredeln. Eine Gelegenheit für Liebhaber der neunten Kunst, Legenden in diesem Bereich wie Enki Bilal, Zep, Hans-Ruedi Giger oder Tronchet zu entdecken.

Die imposanteste der Walliser Serien, die der Fondation Pierre Gianadda, deckt fast die gesamte Aktivitätsperiode von Léonard Gianadda ab. Jede Ausstellung ist mit einer Cuvée der Cave Orsat verbunden, selektioniert von namhaften Persönlichkeiten aus der Welt des Weinbaus, des Weins und der Gastronomie – eine Gelegenheit für einen künstlerischen Rundgang durch die internationale Kunstszene, verbunden mit Walliser Wein.

Diese Serie ist für ihre grosse Eleganz bekannt und illustriert die zeitgenössische künstlerische Schöpfung.

Im malerischen Dorf Niedergesteln (auch Châtillon genannt) zeugen heute nur noch Ruinen von einer mittelalterlichen Burg, die einst mit einer im Wallis und im Alpenraum einflussreichen Familie verbunden war. Die Mitglieder dieser Familie von Turn haben alle eine eigene Geschichte – einige von ihnen mit bemerkenswerten Schicksalen.

Wein zu jedem Anlass

Wein wird oft mit gesellschaftlichen Ritualen und wichtigen Ereignissen im Leben in Verbindung gebracht. In der Sammlung Bodenmüller sind Tausende Etiketten von Standard- oder Sonderweinen ohne grafischen, künstlerischen oder gar weinbaulichen Anspruch vertreten. In den 1960er Jahren tauchten dann Weine mit Etiketten für alle Lebenslagen auf.

Ab den 1960er Jahren wurden der Wein und seine Etiketten endlos variiert, etwa mit Sujets zu einem Jahrgängertreffen in Siders mit der humoristischen Grafik des Ateliers von Jean-Marie Grand, einer Fusion zweier nationaler Fluggesellschaften (vor dem berühmten Grounding !), einer Abfüllung für eine deutschsprachige Zeitschrift, die die Entdeckung der Schweiz förderte, einer Wahl oder sogar einer Erektion – im weiten Feld der grafischen Erotica scheint jeder Anlass geeignet !

Sport, trotz der damit verbundenen Prinzipien eines gesunden Lebensstils, ist auch ein beliebtes Etikettensujet: Sportlererfolge, Gedenkfeiern, und Veranstaltungen werden oft von speziellen Abfüllungen begleitet–von Sepp Blatters Turnier im Goms bis hin zu einem Sieg des FC Sion im Schweizer Cup mit seinem berühmten Spieler und Weinproduzenten aus Saillon, Fernand Luisier. Selbst Schützenvereine und die Schweizer Fussballnationalmannschaft unter Roy Hodgson sind auf Etiketten verewigt.

Humor ist ein häufiger Bestandteil dieser einzigartigen Etiketten, etwa von bekannten Zeichnern wie Skyll, Barrigue oder Burki. Den Kollegiumsschülern fiel immer etwas Schelmisches ein, um ihre Reisen zu finanzieren, und selbst die Radiologen liessen es sich für ihren Kongress nicht nehmen, eine sehr professionelle visuelle Note einzubringen.

Auch die Industrie ist auf Etiketten vertreten. So wurden die grossen Bauvorhaben des 20. Jahrhunderts – Grande-Dixence, Mauvoisin, Tunnel des Grossen St. Bernhard – mit speziellen Abfüllungen verewigt.

Zu dieser Sammlung von Weinetiketten erschien im November 2025 im Verlag Monographic das Buch «Das Wallis und seine Weinetiketten. Sammlung Nikolaus Bodenmüller - Mediathek Wallis. Hunderttausend Etiketten für ein Terroir».

Erhältlich beim Verlag oder in den Sammlungen der Mediathek Wallis - Sitten : Le Valais et ses étiquettes de vin : La maison d'éditions valaisanne de livres

Wenn Sie die vier Weinetikettensammlungen der Mediathek Wallis - Sitten (die Hauptsammlung Bodenmüller sowie die drei anderen) einsehen möchten, wenden Sie sich bitte per E-Mail an folgende Adresse und vereinbaren Sie einen Termin im Lesesaal: mv-sion-docvs@admin.vs.ch

Die 4 Sammlungen :